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Für Romancier Vladimir Sorokin ist Corona wie der Eisberg in der „Titanic“

Mehr als nur ein Thema für die russische Literatur: Für Romancier Vladimir Sorokin zeigt die Globalisierung in Zeiten von Corona ihre Schwäche und es wird viele schwerwiegende Veränderungen geben. Sorokin hat auch einen ganz besonderen Quarantäne-Tipp parat.

 

Der russische Schriftsteller und beinharte Systemkritiker Vladimir Sorokin hält die Corona Pandemie für einzigartig, weil sie „unsere mächtige und fortschrittliche Welt“ überfallen habe. Er vergleicht sie im Interview mit dem Eisberg, der ein Leck in das legendäre Passagierschiff „Titanic“ schlägt und es schließlich zum Sinken bringt. Eben so habe Corona ein Leck in die globale Welt geschlagen – mit ungewissem Ausgang …

 

Corona wirft ontologische Fragen auf

„Die Welt wird nicht dieselbe sein“ – diesem derzeit oft gehörten Satz will der 64-Jährige nicht zustimmen. Schon jetzt sei die Welt nicht mehr dieselbe. Das Coronavirus konfrontiere die Menschheit mit ontologischen Fragen wie: „Warum ist die politische Elite dieser Welt so überraschend schwach, hilflos und dumm? Warum wählen wir so primitive und dumme Menschen zu Präsidenten? Wozu? Weil sie gut vor Menschenmengen reden können?“, wie er dem Portal „All Andorra“ im Interview sagt. Die Gedanken von Vladimir Sorokin verlassen schnell die Welt Literatur und trotzdem, das zeigt sein Werk, findet die Welt, auch die politische, dann doch wieder schnell Eingang in sein Werk.

 

Nach Ansicht des russischen Romancier Vladimir Sorokin wird Corona ein Leck in die globale Welt schlagen. Nicht nur in die Literatur.

Nach Ansicht des russischen Romancier Vladimir Sorokin wird Corona ein Leck in die globale Welt schlagen. Nicht nur in die Literatur.

Romancier Sorokin übt Kritik am übermäßigen Konsum

Eine andere Frage, die sich ihm stelle, lautet: „Welchen Wert hat die weltweite Wissenschaft, wenn sie nicht weiß, wie man das Virus bekämpfen kann.“ Dieses Virus komme schließlich nicht vom Mars. Und schließlich noch ein Stück Konsumkritik: „Wie viele Sorten von Käse, Würstchen, Schokolade, Modemarken und Automodellen wird ein Mensch brauchen, um auf dem Planeten Erde zu überleben?“

In den vergangenen Wochen und Monaten habe sich gezeigt, dass es keine gemeinsame Strategie zur Bekämpfung der Pandemie für alle Länder gebe. Da spielten Faktoren eine Rolle wie das Klima, soziale Aspekte, auch das Durchschnittsalter des Landes und seine Immunität. Wie gesellig die Menschen in einem Land sind, sei ebenfalls von Bedeutung.

 

„Stell dich vor den Spiegel und versuche, deinen Nacken zu sehen, ohne den Kopf zu bewegen …”

Vladimier Sorokin

 

Schwierige Kämpfe stehen bevor

Sorokins Werke sind bekannt für ihre düsteren Zukunftsszenarien. Ob ein solch dunkles Zeitalter auch in der realen Welt auf die Menschen zukommt, vermag er nicht vorherzusagen. Doch die Globalisierung zeige jetzt ihre Schwäche und es werde viele Veränderungen geben: „Ich bin sicher, dass die internationalen Beziehungen härter werden und die Kämpfe um natürliche Ressourcen, wirtschaftlichen Wohlstand und persönlichen Komfort schwieriger werden“, sagt der Schriftsteller. Und auch die Abstände zwischen den Tischen in den Restaurants würden größer – „nicht gut für die Pariser Cafés“.

 

Mehr Menschen werden wieder in die Provinz ziehen

Da eben große Städte besonders gefährdet seien, glaubt der Autor, dass wieder mehr Menschen in die Provinz ziehen werden. Sorokin selbst lebt in Zeiten der Isolation in einem Haus im Wald, wo er kaum mehr tut, als seine tägliche Routine zu leben und zu schreiben. Wer sich in dieser besonderen Phase seines Lebens weiter entwickeln will, für den hat er einen ebenso besondere Ratschlag: „Stell dich vor den Spiegel und versuche, deinen Nacken zu sehen, ohne den Kopf zu bewegen. Wenn dir das gelingt, wirst du viel mehr über dich und die Welt verstehen. Während der Quarantäne ist das viel einfacher.“

 

Nach Ansicht des russischen Romancier Vladimir Sorokin wird Corona ein Leck in die globale Welt schlagen. Nicht nur in die Literatur.

Tabubrüche und Schock in Sorokins Literatur

Sorokins Werke spalten. Sie zeichnen sich durch höchst eigenwillige, drastische und fast immer provokative Schilderungen aus. Dabei vermischt er mit großer Finesse verschiedene Genres und Stile und setzt auf Tabubrüche und Schock. In seinen absurden Phantasien kommen immer wieder Gewaltorgien und pornografische Elemente vor.

Bekannt wurde Sorokin mit seinem ersten Roman „Die Schlange“ (1990), zuletzt schrieb er „Der Tag der Opritschniks“ (2008), „Der Zuckerkreml“ (2010) und „Der Schneesturm“ (2012). Anfang 2020 arbeitete Sorokin, quasi in freiwilliger Quarantäne, an einem neuen Roman, über den er aber noch nichts sagen will. Angesichts seiner düsteren Zukunftsvisionen lässt eine mögliche literarische Verarbeitung der Corona-Pandemie nicht viel Gutes hoffen.



Literatur:
Lesung von Sorokin und Übersetzer

 

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Vladimir Sorokin und sein Übersetzer Andreas Tretner lesen aus dem Roman “Manaraga”.



Vladimir Sorokin

Sorokin ( * 7. August 1955) ist ein russischer Autor von Romanen, Drehbüchern und Theaterstücken, die häufig in deutschen Theatern aufgeführt werden. Der Hauptvertreter der russischen Postmoderne ist ein scharfer Kritiker des Regimes. Er ist Mitglied des russischen P.E.N. 2011 war Sorokin Writer in Residence am Institut für Komparatistik der kalifornischen Stanford University. Der Romancier lebt heute mit seiner Familie und seinen Töchtern in Moskau.



Bücher von Vladimir Sorokin



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