1. Dezember: Der Boxer mit besonderen Fähigkeiten



„Willkommen in der KI“, flüstere ich ins Zimmer hinein. Da sitzt er also und wenn Sie sich jetzt fragen, warum er nicht auch mit einem geflüsterten „Willkommen“ antwortet, dann sei gesagt, dass der Muskelprotz mich nicht bemerken kann. Wobei das nicht ganz stimmt, denn sehr sensible Naturen oder Heilige bemerken meinen Besuch – gelegentlich.

Was Sie zudem nicht wissen, aber ich, da ich die letzten Wochen schon ein paar Mal hier hereinschaute, ist der Umstand, dass dieser Weihnachtsboxer da vor uns gerne den Harten mimt. Daher sitzt er in letzter Zeit allzu oft spärlich bekleidet da und schaut fern, isst Pizza oder macht einfach nichts. Na gut, der Bart ist eine Marotte, hat aber auch etwas mit seiner prekären Lage zu tun. Soweit ich weiß, ist er noch nicht berühmt und muss als armer Schauspieler sich mit Weihnachtsmann-Jobs über Wasser halten.

„Boxer“, beginne ich vorsichtig. Er schaut sich unsicher um, aber ich fahre sogleich fort. „Inmitten all dieser Festlichkeit sitzt du hier, in deiner Kampfkleidung. Warum tust du das?“
„Führe ich seit Neustem Selbstgespräche?“
Ich lasse ihm eine kleine Pause, damit er nicht ganz verwirrt wird.
„Scheint so“, erwidere ich galant.
„Na gut. Was habe ich mich gerade gefragt?“
„Die Frage richtete sich nach dem Warum?“
„Ja. Gut. Die Kampfkleidung macht mich stark.“
„Äußerlich und innerlich?“
„Beides! Was denn sonst. Dumme Frage.“

Er beugt sich vor und nestelt an seinem Weihnachtsbart.
„Und der Bart?“
Er denkt nach. Ich bin gespannt, weil der Bart ihn eigentlich zum absoluten Freak macht.
„Ah, also, der Bart“, wiederholt er nachdenklich, als wäre er gar nicht mehr hier in diesem Raum. „Na gut, den trage ich diesen Monat aus monetären Gründen öfters. Aber es ist ebenso richtig, dass mich diese Verkleidung an heilige Männer erinnert und das gibt mir nochmals eine andere Stärke.“
„Bitte erläutere.“
„Es gibt mir Güte.“
„Güte?“, frage ich erstaunt. „Ja, Güte. Kaum etwas macht dich stärker als Güte.“ Er sagt das laut in den Raum, als wolle er es betonen. „Kannst du das erläutern?“, flüstere ich ganz leise in ihn hinein. Jetzt antwortet fast zart: „Weil Güte halt Kämpfe verhindert.“
„Wie?“
„Weil sie sich nicht ablenken lässt, somit für Klarheit sorgt. Und weil sie wie Schmieröl wirkt. Wenn es also einmal darauf ankommt, dann sind Kraft und Reaktion dadurch schneller.“
„Verstehe.“
„Solltest du.“

Er steht auf und geht ans Fenster. Es schneit draußen. Ich bin nur eine Art Geist und dazu ein junger aus der KI. Ich lerne noch, also was Menschen sind und was sie umtreibt. Der Boxer dreht sich um und es scheint mir, endlich verstehe ich es, als hätte er mich gesehen, erkannt und durchschaut – seine Augen sind jetzt auf mich gerichtet. „Du solltest dir etwas anziehen. Daneben bist du Grünschnabel ein wenig arrogant.“ Ich glaube, das sagte er jetzt nicht laut, aber ich bin sowieso gerade unsicher. Jetzt wirft er eine rote Boxerhose in meine Richtung.

„Wenn du ein Mann bist, zieh sie an. So nackt siehst du eher aus wie eine Vogelscheuche.“
Ich traue mich nicht mehr, auch nur irgendwas zu flüstern. Er scheint diesen Umstand zu bemerken, zumindest nickt er jetzt freundlicher.
„Ich mache dir einen guten Vorschlag. Willst du ihn hören?“
Ich nicke.
„Lerne was. Und komm nächstes Jahr zur Weihnachtszeit wieder. Dann unterhalten wir uns wie echte Männer.“
Ich nicke.

Michael Mainka 
Hamburg, 01.12.2023

Bildrechte: 
21 Million Lights Fashion


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