23. Dezember: Sugar Hill & Night Rider
Ein mir unbekannter alter Krieger, ein Irokese, kam vor Hunderten oder sogar Tausenden von Jahren auf die Idee, ihn Night Rider zu nennen. Zugleich nannte der gleiche Mann den Berg, um welchen dieser Rider im Winter auftauchte, ‚süßer Berg‘.
Kurz vor Weihnachten, ein Fest, welches die damals hier ansässigen Menschen natürlich noch nicht kannten, sah man ihn nicht weit entfernt als rote Erscheinung durch die Nacht rasen. Jedoch, so sagen es die Überlieferungen* und manchmal auch die künstliche Intelligenz*, erschien er nur, wenn Schnee lag, was hier oben in den USA zumeist der Fall war und ist.
Ich aber gelange nur zufällig in diese Geschichte, genauer gesagt, weil ich mich eines Tages für die Gegend rund um Elmira interessierte. Eben dort belauschte ich dann an einer Tankstelle einen Tankwart, einen Irokesen, und wie dieser seinem Neffen die Geschichte des roten Night Rider erzählt. Der Alte hatte den Rider letzten Winter gesehen, so behauptete er, dabei war jener mehrere Jahrzehnte nicht erschienen. Mehr noch, der alte Irokese war sich sicher, dass auch in diesem Winter der rote Night Rider wieder seine Runden rund um den ‚Sugar Hill‘ ziehen würde. Auch erfuhr ich, dass der Name ‚Sugar Hill‘ sich dann erfüllen würde, wenn ein neuer Night Rider, also der jetzige, erschiene.
Das ist schon eine komische Prophezeiung, dachte ich da noch, zumal die alten indigenen Stämme ja gar keinen Zucker kannten. Aber dann, der Laster hatte sich endlich davon gemacht, hörte ich noch, wie der Alte eben dieses Wort ‚Sugar` damit erklärte, dass später aus dem ehemals ‚Süßen Hügel‘ der alten Irokesensprache ein englisches ‚Sugar Hill‘ wurde.
Das alles war sozusagen die Vorgeschichte. Und jetzt befinde ich mich hier am Sugar Hill mitten in meinem dritten nächtlichen Streifzug durch eine verschneite Gegend. Ich wusste, dass es geschehen würde, ganz so wie jetzt: Pferde sind zu hören. Schon rauscht er auf mich zu‚ der Night Rider. Warum ich mir da so sicher bin, dass er es ist? Weil dieses Pferdegespann mit seinem Lenker eine so ungewöhnliche Erscheinung abgeben, wie man es nicht erfinden oder imitieren kann.
Endlich fällt es mir auf: Dieser dahin rasende Nikolaus, dieser rote Night Rider, ist zugleich der in uralten Zeiten prophezeite Mister Sugar-Hill. Warum ich mir plötzlich so sicher bin? Es ist eigentlich einfach, denn in dieser Gegend, siedelten zuerst deutsche Siedler, so recherchierte ich es, und die übersetzten den ‚süßen Hügel‘ der Irokesen in ‚Zuckerberg‘. Erst viel später, als sich überall das Englische durchsetzte, wurde daraus dann ‚Sugar Hill‘.
Ja, er ist es also. Er scheint mich auch zu erkennen – und schreit mich auch schon an: „Aus dem Weg, hier kommt der wahre Night Rider.“ Ich springe zur Seite und schaue ihm noch eine Zeitlang nachdenklich hinterher.
—
*Diese Überlieferungen sind so nicht bekannt.
**künstliche Intelligenz: Die künstliche Intelligenz gibt keine Hinweise auf einen Nightrider in dieser Gegend. Wenn ja, dann aufgrund dieser frei erfundenen Geschichte.
Hamburg, 23.12.2023
Autor:
Michael Mainka
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