13. Dezember: Die Weihnachtsrede

Er würde die Rede dann hier halten. Und warum sie überhaupt hier waren, so kurz vor Weihnachten? Die Sache an sich war eigentlich ein Kindheitstraum, also „einmal Weihnachten in der Antarktis verbringen, das wäre toll“. Warum? Weil der immer weiße Kontinent niemandem gehörte, es dort keinen weiteren Prinzen, König oder sonst wen geben würde und es nichts Exklusiveres gab und gibt als eben diese Antarktis.
           Das hatte er sich damals so ausgemalt und wenn man erwachsen ist, wenn man König ist, sogar der berühmteste König der ganzen weiten Welt, dann kommt man hin und wieder in die Stimmung, dem Kind von damals, was ja in jedem Erwachsenen in gewisser Weise weiterlebt, etwas zurückzugeben. „Ein Geschenk aus der Zukunft in die Vergangenheit“, so nannte er die Sache denn auch etwas umständlich.
            Und seine Gemahlin? Die hatte damals, als der Wunsch des Unterfangens aufkam, gelacht und darauf verwiesen, nur mitzukommen, wenn der Rückflug sicher wäre. Das war er eigentlich auch, denn der Besuch der Halley Research Station, die vom British Antarctic Survey in der Antarktis betrieben wird, war bestens durchgeplant. Allerdings stand die fast neue Maschine jetzt verlassen auf der Piste und durfte nicht abheben, weil der Höhenmesser defekt war. Ein billiger, einfacher Höhenmesser, das muss man sich einmal vorstellen!
            Immerhin war ein britischer Militärjet mit einem entsprechenden Ersatzteil unterwegs, aber würde erst am 23. Dezember englischer Zeit hier sein. Somit liefen sie Gefahr, Weihnachten auf dem Rückflug irgendwo über dem Atlantik zu verbringen. Das ging natürlich nicht.
            Insgeheim freute ihn das wiederum, ihn, der in Wirklichkeit ‚Charles der Dritte, von Gottes Gnaden König des Vereinigten Königreiches Großbritannien und Nordirland sowie Seiner anderen Königreiche und Länder, Oberhaupt des Commonwealth, Verteidiger des Glaubens‘ heißt. Allerdings musste er schon ein wenig schauspielern, um eben diese positive Gefühlslage seiner Gemahlin zu verheimlichen. Immerhin, der Kindheitstraum war ja gewesen, Weihnachten hier im abgelegenen Schnee zu verbringen. Sie wusste das auch, aber sie ahnte höchstens, wie sehr stark der damalige Traum gewesen war. Daneben sind Könige nun einmal auch immer ein wenig Schauspieler und so ließ er sich seine Freude über den Verbleib in der eiskalten Wildnis nicht anmerken.
            Bevor er seine Rede hält, in zehn Minuten ist die Live-Schalte, entstehen seltsame Gedanken in seinem Kopf, solche, für die er gar nichts kann, denn ich schaffe es ihn in eine kurze Diskussion über seine Frau Gemahlin zu verstricken: „Wieweit durchschaust du deine große Liebe und Ehefrau eigentlich?“, frage ich scheinbar ganz harmlos. Er nickt gedankenverloren und antwortet etwas zeitversetzt, „früher gar nicht, aber mit den Jahren völlig“. Dann, zwei Minuten später, fügt er an, dass sie auch nur ein Mensch sei, so einer wie er halt.
            Wenig später, es ging schnell, er hat ja kein Manuskript, nichts, aber auch gar nichts, ist es vollbracht: Er hat seine Rede gehalten und Abermillionen haben sie gerührt vernommen. Jetzt schaut er seine Gemahlin lächelnd an, welche ihm tatsächlich hier in der kalten Wildnis ein Weihnachtsgeschenk überreicht. „Wie sie das nur hinbekommen hat“, denkt er, während er neugierig die weihnachtliche Schleife des Kästchens löst. Und siehe da, im Innern liegt ein kleines, nagelneues technisches Teil – eines, wie er es, der ausgebildete Pilot, aus den Cockpits von Flugzeugen und Hubschraubern bestens kennt. Noch dämmert es nur, dann aber versteht er und klappt abrupt das Kästchen zu. „Muss ja nicht fotografiert werden, der nagelneue Höhenmesser“, denkt er noch, als er dankend seine Frau küsst. „Du raffiniertes Ding“, raunt er ihr noch zu, worauf sie „ganz wie der Herr König“ erwidert.



Hamburg, 13.12.2023
Autor:
Michael Main

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