Der Schriftsteller Jonathan Franzen, Autor von Romanen wie „Die Korrekturen” oder „Freiheit” erklärt in einem Interview mit der norwegischen Zeitung Vårt Land zuerst einmal, dass es schwierig sei, während des Frühjahrs 2020 etwas über die Pandemie und die Krise rund um Corona zu sagen.

Franzen tat es dann aber in einem Anfang April 2020 geführten Interview, nachdem er noch zu bedenken gab, kein guter Wahrsager zu sei. Vor allem verspürte Franzen eine Angst davor, dass der Virus dem Silicon Valley und somit der Tech-Industrie unsere gesamte Zukunft in die Hände spielt. 

Nichts, so unterstreicht er damals, will diese Industrie mehr, als dass die Menschen zuhause bleiben. Eben dort soll man dann nichts anderes mehr tun, als auf Bildschirme zu starren. „Sie, also die Menschen vom Silicon Valley, möchten nichts weiter, als jedes lokale Unternehmen zerstören und alles nur noch im Internet käuflich machen”, gibt er weiterhin zu bedenken.

Fortschritt.
Ja oder nein?

Auf die abstrakte und zugleich kuriose Frage, ob es eine Alternative zum sogenannten Fortschritt gibt, führt Franzen den österreichischen Denker Karl Kraus an. Schon zu dessen Lebzeiten ging es um die Frage, ob Technologie die Welt zu einem besseren Ort machen würde oder Wissenschaft alle Probleme lösen kann. Kraus unterschied hierbei zwischen zwei Fortschrittsarten: der technologischen und der moralischen.

Franzen erinnert in diesem Zusammenhang an die utopische Rhetorik im Silicon Valley der neunziger Jahre. Dort wurde der technologische mit einem moralischen Fortschritt in Verbindung gebracht. Diese Denkweise war seiner Meinung nach eher zynisch als unschuldig. Aber in jener Zeit wurde ernsthaft geglaubt, dass wenn man alle Menschen miteinander zusammenbringen könnte und die Welt dann ein besserer Ort werden würde. Diese Idee hielt seiner Meinung nach in den USA bis November 2016 an. Erst da erkannte man, dass die Technologie weit besser geworden ist, aber die Menschen nicht.

 

Die Wurzeln der Literatur

Jonathan Franzen verweist zudem darauf, dass die Wurzeln der Literatur in den alten Tragödien und Komödien liegen. In beiden Genres geht es dann aber stets darum, wie sich die Dinge nicht ändern. Daraus folgert er, dass wir uns zwar der neuen Religion, also der Technologie, anschließen können, nur wird uns das nicht vor dem retten, was wirklich vor sich geht. Er spricht hierbei von einer Welt des Todes sowie Menschen, die schlechte Dinge tun.

 

Die Corona Epidemie, die menschliche Freiheit
und die Rettung der Welt

In einem Beitrag vom Berliner Tagesspiegel, wird Franzen mit dem Vorschlag zitiert, dass es in naher Zukunft auch um eine Wiederbelebung ethischen Denkens gehen wird. „Wann erlaubt sich der Einzelne, Dinge zu tun, von denen er weiß, dass sie anderen schaden? Ohne ernsthaften Verzicht kann das nicht gehen. Und der fällt leichter, wenn es alle tun“, räsoniert der Schriftsteller. 

Darüber hinaus hält er den Umgang mit der Eindämmung der Corona Pandemie und Covid-19 letztlich für eine Einübung verschiedener Formen der Selbstbeschränkung und des Verzichts. Daneben, und dies scheint Franzen sehr wichtig zu sein, hält er die Bereitschaft, die eigene Autonomie zugunsten eines Gemeinschaftsgedankens einzuschränken, für etwas sehr Bemerkenswertes.

Vögel in Freiheit an der US-Küste beobachtet von Schriftsteller Jonathan Franzen. Bildbearbeitung mit Korrekturen

Wir erleben eine Welle der Irrationalität – von der Corona nur ein Teil ist

In einem Interview mit der Welt von Oktober 2021 spricht Franzen einmal mehr von einer bevorstehenden und unvermeidbaren Klimakatastrophe. Wobei er daran glaubt, dass wir deren Vorbeben bereits spüren. Er unterstreicht, dass sich der Druck auf menschliche Strukturen erhöht – sowohl sozial und politisch wie eben auch infrastrukturell und psychologisch.

Zudem würde Amerika aktuell eine Welle der Irrationalität erleben. Die Ablehnung faktenbasierter Wissenschaft steigt dort an, was am auffälligsten beim Widerstand gegen Covid-19-Impfstoffe erkennbar sei. Gleiches gilt aber auch in der Weigerung der Republikaner, die Ergebnisse der zurückliegenden Wahl anzuerkennen.

Seines Erachtens sind aggressive neue Mythologien auf dem Vormarsch. Zum Beispiel gibt es da den Mythos, dass Impfstoffe gefährlicher als das Virus sind – oder jenen, dass Trump die Wahl im Jahr 2020 eigentlich erdrutschartig gewonnen hat. Franzen fürchtet, dass in den kommenden Jahren noch viel mehr solcher oder ähnlicher Mythen auf der Bildfläche erscheinen werden.

Meeresvögel in Freiheit beobachtet von Jonathan Franzen während der Corona Krise. Bildbearbeitung mit Korrekturen

Freiheit. Korrekturen. Und der Tod …

Mitte 2020 lehnte Jonathan Franzen sämtliche Interview-Anfragen zum Thema Corona kategorisch ab. Lediglich eine Ausnahme ließ er zu und gewährte dem Literaturmagazin „The Millions“ ein solches. 

Auf die Frage, worin die Schönheit unlösbarer Probleme liege, verwies er auf den Tod. Dieser gehört zu jedem Lebewesen. Und zu unserer Spezies gehört der Umstand, dass wir zugleich gut und schlecht sein können. Franzen vergleicht diesen abstrakten Gedanken damit, dass man seine Frau lieben kann, während man zugleich die Nachbarin begehrt.

Weitergehend erläutert der Autor von extrem erfolgreichen Romanen wie “Die Korrekturen” oder “Freiheit”, dass sich einige menschliche Probleme zwar technologisch mildern lassen, aber das Problem des Todes an sich letztlich unlösbar ist. An diesem Punkt setzt seiner Meinung die Literatur an, die wiederum von Anfang an eng verbunden mit der Religion war. Nach Franzen besteht der Zweck der Erzählung darin, das Problem abzubilden und eine Verbindung zu all denen herzustellen, die darunter jemals gelitten haben.

Beim Betrachten dieser Gedankengänge des amerikanischen Intellektuellen erscheint es dann auch plausibler, dass sich ein Schriftsteller zu Corona nicht wie ein Politiker äußern will. Denn der Literat muss (also nach der These von Franzen) darum eine Geschichte spinnen, eine, die uns Menschen miteinander verbindet. 

 

Jonathan Franzen. Pessimist. Oder Realist?

Jonathan Franzen ist einer der erfolgreichsten US-amerikanischen Autoren. Beschrieben seine großen Romane „Die Korrekturen” und „Freiheit” durchaus sozialkritisch die aktuellen gesellschaftlichen Strömungen, so legte er Ende 2019 ein kleines, aber vielbeachtetes Essay vor. „Wann hören wir auf, uns etwas vorzumachen?” So lautet der Titel des Werks. Daneben sollte man wissen, dass die Idee zu diesem Text ein Waldbrand initiierte, dem der Autor beiwohnte. Übrigens ereignete sich dies im Hochsommer 2019 im ostdeutschen Brandenburg.

Der Inhalt des Essays ist dann so eindeutig wie der Titel: Die Menschheit wird laut Franzen das Zwei-Grad-Ziel nicht erreichen. Damit sich aber alles doch noch zum Besseren verändern kann, holt er weit aus: So referiert er da über die Sicherung demokratischer Strukturen, eine wirklich unabhängige Presse und generell eine Stärkung des Gemeinwesens. 

über Naturschutz

Dieser Vortrag von Jonathan E. Franzen wurde auf einer TEDx-Veranstaltung im Jahr 2019 in Santa Cruz, USA, gehalten.

TED ist eine alljährliche Innovations-Konferenz in Monterey, Kalifornien. Bekanntheit erhielt die Veranstaltungsreihe vor allem durch die TED-Talks-Website, auf der die besten Vorträge als Videos kostenfrei online gestellt werden.

Jonathan Franzen mit einem eher unerwarteten Ratschlag

Jonathan Franzen möchte die Welt verändern. Mit diesem für ihn untypischen Ratschlag könnte das tatsächlich noch gelingen. 

Jonathan Franzen

Jonathan E. Franzen (* 17. August 1959) ist ein US-amerikanischer Schriftsteller. Er erlangte internationale Bekanntheit durch seinen 2001 erschienenen Roman „Die Korrekturen“. Ebenfalls sehr erfolgreich war der im Jahr 2010 erschienene Roman „Freiheit“.

Seine Romane thematisieren das Auseinanderfallen der Familien im 21. Jahrhundert und gehen zugleich auf Zusammenhänge zwischen Einzelschicksalen und gesellschaftlichen Entwicklungen ein.