Vom Spitzenpolitiker bis zum Starphilosophen: In Sachen Corona lag niemand in seinen Theorien und Prognosen so „richtig richtig“. Nobelpreisträger und Psychologe Daniel Kahneman weist auf mögliche psychologische Gründe hin – und diese erscheinen dann doch recht logisch.

Was macht Prognosen zu besseren Voraussagen? Auf diese Frage bietet das neue Buch des Ökonomienobelpreisträgers und Psychologen Daniel Kahneman unter dem Titel „Noise“ ein paar bedenkenswerte Antworten. Erschienen ist das Ganze auch im deutschsprachigen Raum unter dem Titel „Noise“.

Eine Hauptthese

Die Hauptthese ist eigentlich einfach und kommt gerade noch rechtzeitig zur Pandemie-Zeit: Es gilt der Konsens, dass Wissenschaftler in ihren Urteilen und Prognosen übereinkommen müssen. Schließlich interpretieren diese die gleichen Fakten. Abweichende Aussagen werden „gecancelt“ oder sogar stigmatisiert.

Daneben gibt es noch eine Beobachtung mit Tragweite: Die meisten Menschen (und damit auch Wissenschaftler) denken, dass auch andere die Welt so interpretieren wie sie selbst. Nur ist dem nicht so. Daniel Kahneman verweist hier beispielhaft darauf, dass nach einer Niederlage der lokalen Footballmannschaft, die dortigen Richter zu härteren Strafen neigen.

Und was bedeutet das jetzt in Sachen Corona?

Ein Patentrezept bietet Kahneman leider nicht, aber er rät dazu, Fälle wie die Pandemie am besten aus der Außenperspektive zu betrachten. „Versuchen Sie, gegen sich selbst zu denken!“ Zugleich gibt er zu, dass eben dies nicht einfach ist. Darüber hinaus sollten sich Skepsis und Bescheidenheit mit­einander verbünden. Und dann? Ja, dann würde man die Welt durchaus objektiv sehen können – in etwa so wie ein Marsmensch, der sich diese anschaut. Letzteres Beispiel gibt nicht Kahneman, sondern der Autor dieses Artikels. Unbeantwortet bleibt die Frage, ob der „große Kahneman“ ihm bei diesem Beispiel zustimmen würde.

A reliable way to make people believe in falsehoods is frequent repetition, because familiarity is not easily distinguished from truth. Authoritarian institutions and marketers have always known this fact.
Daniel Kahneman

Ebenfalls unbeantwortet bleibt etwas Anderes, also, welches Szenario in Sachen Corona denn nun das Beste für die ganze Welt wäre. Diesen Gedanken aber zu verfolgen, würde Kahneman dann gleich verneinen, denn er wäre philosophisch und damit viel zu komplex.

Daniel Kahneman im Gespräch mit Olivier Sibony und dem Cass R. Sunstein

Nobelpreisträger Daniel Kahneman diskutiert mit dem Unternehmensberater Olivier Sibony und dem Cass R. Sunstein, welcher als Jurist zugleich ein Berater von Barack Obama war. Thema der Diskussion sind die Einflüsse, welche unsere Entscheidungen maßgeblich beeinflussen.

Über den Zustand westlicher Staatssysteme: Ein Historiker diskutiert mit einem Psychologen

Im April 2021 diskutieren Daniel Kahneman und Yuval Noah Harari das Thema „Global Trends Shaping Humankind“.

Hierbei zeigt Daniel Kahneman den durchaus erschreckenden Niedergang der westlichen Demokratie auf. Prinzipiell weist Harari in der tiefgreifenden Diskussion darauf hin, dass die Menschheit die Wahl zwischen verschiedenen kulturellen und politischen Lebensweisen hat. Es ist seines Erachtens noch gar nicht klar, ob tatsächlich die westliche Demokratie das uneffektivere System ist – etwa zur Begrenzung einer Pandemie.

Daniel Kahneman

Daniel Kahneman wurde am 5. März 1934 in Tel Aviv geboren und ist ein israelisch-US-amerikanischer Psychologe. Im Jahr 2002 erhielt er den Alfred-Nobel-Gedächtnispreis für Wirtschaftswissenschaften für die mit Amos Tversky entwickelte Prospect Theory. Im Jahr 2015 wurde Kahneman von der Zeitschrift “The Economist” auf Rang 7 der weltweit einflussreichsten Ökonomen geführt.