Buddhisten in Tibet, Indien wie auch international warnte Trinley Thaye Dorje, der 17. Karmapa und Oberhaupt der Karma-Kagyü-Linie, bereits frühzeitig vor Corona. Sprach er in einer ersten Botschaft von einem weltweiten Change, so gab er etwas später präzisere Empfehlungen – auch gehen die Angst. Seine Ratschläge sind eng verknüpft mit den Lehren des tibetischen Buddhismus.

Trinley Thaye Dorje, beziehungsweise der 17. Karmapa, wurde zwar in Tibet geboren, lebt aber heute in Nordindien, wo Corona ebenso ein gewichtiges Problem darstellt. Nachdem er in einer Videobotschaft einleitend feststellt, dass sich das Coronavirus weiterhin auf der ganzen Welt verbreitet, kommt er darauf zügig zur Kernaussage: „Deshalb sollten wir alle – ohne Nervosität oder Panik – alle erforderlichen Vorsichtsmaßnahmen und vorbeugenden Maßnahmen treffen. Allerdings ist die Kernkrankheit meiner Meinung nach sowohl ein Geist voller Angst vor der Krankheit als auch eine Tendenz, fälschlicherweise zu denken, dass wir niemals krank werden oder sterben sollten.”

Im Anschluss an diese buddhistische Herangehensweise, führt das Oberhaupt der Karma-Kagyü-Linie weiter aus: „Um solche Ängste und Missverständnisse zu vermeiden, ist es sehr wichtig, ständig über die vier großen Siegel nachzudenken. Ich möchte Sie alle ermutigen, sich diesen Rat zu Herzen zu nehmen. Meinerseits bete ich ständig zu den drei Juwelen und den Dharma-Beschützern und biete meine besten Bestrebungen für das Wohlergehen der Lebewesen an.”

Karmapa oberhaupt Karma-Kagyü-Linie des Buddhismus aus Tibet fliegt in einer tibetischen Lanschaft mit Bergen in der Luft

Buddhismus, die Karma-Kagyü-Linie, Tibet und Corona: Plus die Angst vor der Veränderung

Der Karmapa betont, dass aus buddhistischer Sicht, der Kern des Problems weniger in der veränderlichen Welt liegt, auf die wir ja angemessen reagieren können, sondern stellt einen weiteren Punkt in den Vordergrund: Die Angst vor der Veränderung an sich. Karmapa deutet somit die Möglichkeit an, sich die aktuelle Situation als Teil des persönlichen spirituellen Pfades zu erschließen. Hierzu verweist er auf die vier großen Siegel. Darunter kann man eine Art der Zusammenfassung der wesentlichen philosophischen Kernpunkte des Buddhismus verstehen.

Vielleicht als Hintergrundinformation: Sehr gut lässt sich mit den sogenannten „Vier Edlen Wahrheiten“ der Kern der buddhistischen Lehre zusammenfassen. Jedoch erfüllen die vom 17.Karmapa empfohlenen „Vier Siegel” eben auch die gleiche Aufgabe im tibetischen Buddhismus.

Aus Tibet und wichtig für die Karma-Kagyü-Linie: Die vier Siegel der buddhistischen Lehre

Das erste Siegel lautet: „Alle Dinge verändern sich ständig.” Obgleich dies nahezu eine banale Feststellung zu sein scheint, ist es dennoch so, dass ein tieferes Verständnis hiervon den Menschen tatsächlich in die Lage bringt, Ängste in eine Form des Loslassens von diesen zu transformieren. Es gibt sozusagen immer ein Licht am Ende des Tunnels.

Das zweite s.g. Siegel besagt: „Emotionen sind leidvoll.” Damit wird gesagt, dass alles halt vergänglich ist und eine zu starke emotionale Hingabe letztlich nur zu Leid führt. Daher ändert eine solche Handlung nie etwas an einer Situation. Es ist im Übrigen ganz gleich, wie dramatisch diese einem persönlich erscheinen vermag.

Wiederum besteht das dritte Siegel aus der Aussage: „Die Phänomene unseres Erlebens haben keinen immerwährenden Gehalt.” Daher entsteht alles in Abhängigkeit und bedingt sich kausal. Emotionen und Dinge sind nie aus sich heraus gut oder schlecht. Letzteres ist durchaus universell zu verstehen. Stattdessen befindet sich alles in einem steten Wandel. Insofern sind Dinge und Emotionen auch nicht aus sich gehaltvoll, sondern durch unser eigenes Zutun.

Die Konsequenz dieser drei Punkte zusammengenommen bildet das vierte und letzte Siegel: „Zur Ruhe kommen bedeutet Frieden.” Es geht hier vor allem darum, anzuerkennen, beziehungsweise schlichtweg zu akzeptieren, dass Dinge sich beständig ändern. Das beinhaltet in seiner Konsequenz nicht allzu sehr an Ideen, Konzeptionen und Umständen festzuhalten. Man macht sich also mit der Tatsache vertraut, dass es nichts Verlässliches gibt, was aus sich heraus immerwährende Sicherheit bietet. Stattdessen wird der Fokus möglichst vom „Äußeren” auf das „Innere” gerichtet – also vom Vergänglichen zum letztlich Kontrollierbaren. Dies bedeutet zugleich in sich eine immer größere Freiheit zu erlangen – und dies Stück für Stück.

Eine freiere Interpretation des vierten Siegels

Hinzugefügt sei noch, dass es eben für diese so wichtige Freiheit viele Ausdrücke gibt. Ein Zitat des westlichen Denkers Friedrich Wilhelm Nietzsche (Der Antichrist, 1888) umschreibt diesen Umstand tiefsinnig: „Man sagt nicht „Nichts“: Man sagt dafür „Jenseits“ oder „Gott“ oder „das wahre Leben“ – oder Nirvana, Erlösung, Seligkeit …“

Buddhas wie sie die Karma-Kagyü-Linie des Buddhismus aus Tibet gerne darstellt

Zur Buddhanatur in Zeiten der Pandemie

In einer Rede im Dezember 2o2o wies Karmapa darauf hin, dass Menschen sich stets verbessern möchten. Und in Zeiten wie der derzeitigen Pandemie geschieht eben dies auch, wir wollen hierbei möglichst schnell zurück zum Zustand der Normalität kommen.

Andererseits besagt der Gedanke der Buddhanatur, dass wir die Fähigkeit und Potenz eines wahrhaften Buddha bereits in uns tragen. Daher kommt es seines Erachtens nicht darauf an, stets besser und besser zu werden. Zudem treten die gewünschten Verbesserungen nach einem anderen Prinzip ein – und zwar nach einer Begegnung der entwickelten inneren Weisheit mit den problematischen Verwirrungen. Was zurückbleibt ist paradoxerweise keine nochmals gesteigerte Weisheit, sondern der Verlusst dieser zugunsten eines geklärten Zustands.

Die erste Botschaft bezüglich Corona vom 17. Karmapa

Thaye Dorje, der 17. Gyalwa Karmapa, legt zu Beginn der Pandemie persönliche Gedanken über das Geschehen dar. Dies alles geschieht durchaus sehr komplex und tiefgreifend. Letztlich, sozusagen unterm Strich, gibt er damit keine einfachen Empfehlungen oder Erklärungen, sondern fordert dazu auf, sich selbst auf intelligente Art und Weise der Situation eigenverantwortlich zu stellen.

Der 17. Karmapa – über Meditation und Philosophie

Der 17. Karmapa, Oberhaupt der Karma-Kagyü-Linie, unterstreicht die Bedeutung von Philosophie für den spirituell orientierten Menschen. Für den menschlichen Geist nimmt diese eine Sonderstellung ein und ohne ein philosophisches Verständnis ist der gesamte Mensch in sich selbst eingeschränkt.

Auf den Buddhismus speziell eingehend, betont das Oberhaupt der aus Tibet stammenden Kagyü Schule, wie umfassend Buddhas Belehrungen gewesen sind. In diesem Sinne habe Buddha auch abschließend gesagt hat, dass neue Lehrer kommen werden, um nochmals tiefergehende Details und Zusammenhänge davon herauszuarbeiten.

Über unsere Zeit

Ein langes und zugleich kompetentes Interview zu mehr als nur den Grundlagen des tibetischen Buddhismus. Letztlich versteht es der Interviewer Fragen zu stellen, welche sicherlich Buddhisten wie auch am Thema Interessierte sich irgendwann auch schon einmal gestellt haben. Daneben sind die betreffenden Antworten derart klar, dass die Antworten für jeden ein Gewinn sind. Zugleich, und dies ist ein Kompliment, scheint die Tiefe des Verständnisses des 17. Karmapa souverän hervor. Anders gesagt: Hier schwingt auch eine gewisse intellektuelle Faszination mit.

Der 17. Karmapa Triney Thaye Dorje

Triney Thaye Dorje, geboren 1983 in Lhasa, Tibet, ist der jetzige 17. Karmapa. Er ist einer der wichtigsten Würdenträger innerhalb der Karma-Kagyü-Linie Schule des tibetischen Buddhismus. Angemerkt sei der nach wie vor bestehende Konflikt, wonach einige Jahre nach dem Tod des 16. Karmapa zwei Kandidaten bezüglich der Nachfolge gefunden wurden. Beide beanspruchen heute den Titel 17. Karmapa für sich.