68er Rainer Langhans meditierend in der Wüste

Rainer Langhans? Der berühmte 68er sieht Corona letztlich politisch

Warum hat Deutschland eigentlich keine Stars wie Mick Jagger oder John Lennon? Warum hat es mit Dieter Bohlen und Thomas Gottschalk nur für die zweite oder dritte internationale Liga gereicht? Warum wurde aus einem sehr dynamischen 68er ein spießiger Ex-Politiker namens Joschka Fischer? Fragen über Fragen, die wir Rainer Langhans stellten … 

Zugegeben, das alles wird im Folgenden nur indirekt gestreift. Stattdessen geht es da im Interview von 21 Million Lights beziehungsweise Michael Mainka mit dem 68er Rainer Langhans um einen, der weit internationaler denkt, als man es im mittlerweile piefigen Deutschland gemeinhin tut. Aber das alles ist eigentlich nur der Aufhänger, sich mit „dem“ 68er einmal genauer auseinanderzusetzen.

ob dieser Mick Jagger in jungen Jahren wirklich so glatt wie ein salopper Betriebswirtschaftler war, so stellt es Langhans ja dar, das sei einmal dahingestellt.

Vielleicht verweilen wir aber doch noch etwas auf der Wolke der Stars – und stellen da sehr schnell fest, dass die richtig, wichtigen immer noch englische Namen tragen. Warum es also nicht einmal beim Langhans mit einer Übersetzung versuchen – und siehe da, heraus kommt „Ritchie Longharry“. Überzeugt nicht? Nein! Okay, dann mag das ein Grund gewesen sein, warum Rainer Langhans dann doch bei seinem ureigenen Namen geblieben ist.

Und noch etwas …

Darüber hinaus wurde dieser Longharry alias Langhans nun einmal nicht durch Musik bekannt, auch wenn er die Sitar spielt, sondern dieser war so etwas wie ein Vorläufer der heutigen intellektuellen Influencer. Als ein solcher verkehrte er mit Denkern, Hippies, RAFlern oder auch Rockstars wie Peter Green, Jimmy Hendrix oder Mick Jagger. Mit letzterem teilte er für ein paar Nächte seine attraktive Freundin Uschi Obermaier, aber das war eigentlich nur ein kompliziertes Experiment. Und ob dieser Mick Jagger in jungen Jahren wirklich so glatt wie ein salopper Betriebswirtschaftler war, so stellt es Langhans ja dar, das sei einmal dahingestellt. Aber solche Bemerkungen geben dem Interview halt auch seine Kolorit und machen es zusätzlich spannend.

Von wilden undund heiligen Zeitaltern

Ja, das klingt jetzt doch alles ziemlich wild. Aber aufregend war es nicht, weil es ständig um Sex ging, sondern weil damals eine ganze Generation das eigene Leben und damit sich selbst hinterfragte. Dies geschah derart intensiv, wie schon lange nicht mehr. Man muss sich das wirklich plastisch vorstellen – und wem das schwer fällt, für den folgt dieser Vergleich: So wie Ende der 1960er-Jahre in Berlin, Paris oder Woodstock, so muss es zugegangen sein, als Jesus vor zweitausend Jahren seine Jünger fand. So und nicht viel anders war es, als rund 500 Jahre zuvor der Buddha durch Indien wanderte – und zwar in Begleitung von Tausenden und Abertausenden sogenannter Buddhisten.

Das Problem dieser 68er-Zeit ist in diesem Zusammenhang ein stets übersehenes: Die Anhänger für messianische Gurus waren 1968 durchaus vorhanden, aber die damaligen Gurus spielten lieber mit Heroin, süßen Mädchen oder halt der Gitarre herum. Und wie sah es in Deutschland im Detail aus? Das hatte halt diesen Langhans und damit einen ewig diskutierenden Hippie, der anstatt ein Guru zu werden, sich selbst einen aus dem fernen Indien suchte.

Die Sache Faschismus benötigte laut Rainer Langhans unbedingt Antworten

Langhans bezeichnet die Eltern einer ganzen Generation als Mörder. Ob das wirklich so ist, das wird gar nicht erst diskutiert, sondern zeigt eher ein Dilemma der jüngeren deutschen Geschichte auf: Da waren zum einen diese Monster und auf der anderen Seite halt deren Kinder – die so schrecklich nicht werden wollten. Insofern eroberte dann auch alles, was einen „guten englischen Klang“ verströmte im Nu die Kinder- und Jugendherzen. Zurück zum Faschismus, Langhans spricht es deutlich an und es klingt trotzdem befremdlich, also wie man diesen Faschismus damals in der Kommune 1 in sich selbst ent- oder aufdeckte. Aber man stellte sich dem, wie auch immer dies geschah, was auch immer es letztlich bewirkte.

Warum kommt der 68er Rainer Langhans eigentlich in Deutschland zur Welt?

Langhans glaubt an Wiedergeburt, insofern ist diese Frage berechtigt – denn die eigene Geburt und ihre Umstände ist damit kein Zufall. Schauen wir zurück, dann erkennt man schnell, dass die damalige Ausgangslage für ein Leben in Deutschland eine soziologisch spannende war. Mehr noch, eigentlich sprechen wir über einen Stoff mit Shakespeare-Potenzial: Wie entwickelt man sich eigentlich zum Guten, wenn die Eltern erwiesenermaßen die Ausgeburt des Bösen sind?

Nicht ganz so dramatisch antwortet zumindest Langhans selbst auf die Frage und verweist auf eine spannende Zeit mitsamt ihren besonderen Aufgaben. Was er damit meint: Hier in Deutschland, wo damals Krieg und Faschismus herrschten, wo hell und dunkel in die scheinbar letzte Schlacht zogen, hier erwartete ihn eine besondere Aufgabe: Diese bestand letztlich darin, das Böse in sich selbst aufzufinden, um es dann für immer aufzulösen.

68er Joschka Fischer, hier als Spießer aus Legosteinen

Joschka. Ein Spießer?

Waffen? Die tragen heute in Deutschland neben Staatsdienern fast nur noch die Jungs aus Südeuropa. Aber damals, in den 70ern, war das halt anders: Ein paar dieser langhaarigen Revoluzzer waren bereit für Krieg. Das hat man fast vergessen und es klingt daher so erstaunlich, wie da Rainer Langhans von RAF-Terroristen erzählt, die vor seiner Nase mit dem Revolver nervös herumfuchteln.

Und dann ist da noch die andere Sache, die mit den Spießern. Das kommt im Interview aber nicht ganz rüber. Daher noch einmal in Ruhe: In seinem Buch „#soists“ bezeichnete Rainer Langhans den deutschen Politiker Joschka Fischer als einen zum Spießer gewordenen Bürger. Diese Aussage wurde aus dramaturgischen Gründen noch einmal aufgenommen und ja, der passionierte Tischtennisspieler Langhans verwandelte die Vorlage dann auch mit einem pikanten Vergleich, wonach sich Fischer zum Strauß gewandelt hätte.

Für die jüngeren Leser: Gemeint ist der bayrische Politiker Franz Josef Strauß und damit das damalige Feindbild der deutschen Hippies schlechthin. Und damit kein falsches Bild entsteht: Langhans betont ausdrücklich, dass er Joschka Fischer dafür respektiert, dass dieser gezeigt hat, dass der „lange Marsch“ durch die Institutionen nicht geht.

 

Donald Trump? Immerhin ein Gegenmodell. Sagt Rainer Langhans.

Der moderne Bio-Deutsche würde erwarten, dass Hippies beziehungsweise 68er den Namen des ehemaligen amerikanischen Präsidenten nicht ohne Weiteres in den Mund nehmen. Nicht so bei Langhans. Er, der innerlich und äußerlich jung gebliebene Berufshippie, hält viel von diesem Trump. Denn jener rüttelt mit seinen eher christlichen Gedanken wie auch der ihm eigenen pragmatischen Handlungsweisen die westlichen Eliten beziehunsgweise deren Neoliberalismus auf. Das alles ist letztlich zu verkrustet und vor allem selbstgefällig geworden.

Und noch etwas: Schaut man genauer hin, entdeckt man schnell, dass längst nicht jeder Freidenker, Hippie oder Sinnsucher links unterwegs ist. Besonders in den USA sind solche Menschentypen oft im gemäßigt rechten Spektrum zu finden. Die Sache ist eigentlich einfach, wer als Jugendlicher lieber Hesse statt Marx las, der wird später selten zum linken Revoluzzer. Ach so, dieser Gedankengang stammt nun nicht von Langhans, führt aber zu der Frage, was diesen wohl in jungen Jahren besonders beeinflusste. Es wird aller Wahrscheinlichkeit nach Hermann Hesse gewesen sein.

Das Glücklichsein. Und die schlauen materialistischen Feinde

Im Mittelteil des Interviews schwört der 68er Rainer Langhans auf lebende spirituelle Meister. Jesus, Buddha und wie sie heißen, die findet er nicht optimal, da diese halt nicht mehr leben. Sozusagen fehlt der persönliche und damit intensive Bezug. Aber es geht noch weiter: Nach Langhans kann nur durch einen solchen „Meister“ der sozusagen geglaubte Materialismus überwunden werden – wodurch sich die Seele und damit der Mensch von eben dieser Materie befreit. Langhans spricht in diesem Zusammenhang oftmals von einer gewissen Feinstofflichkeit.

Die 68er erreichen. Und vielleicht die heutige Generation …

Zaubern? Das konnte Rainer Langhans nicht wirklich. Aber er erreichte eine ganze Generation soweit bis diese verstand, dass diskutieren besser als marschieren ist. Das, ja das, war immerhin ein erster Schritt auf dem Marsch zur Wahrheit. Nur, an dieser so ganz anderen Wahrheit scheiterten bisher eigentlich alle intellektuellen Hochkaräter des Westens. Wiederum verstand eben dies Langhans bereits in jungen Jahren und wollte doch – weiter.

Die Lösung bestand darin, sich den indischen Heilslehren zuzuwenden – und sich derart auf den inneren Weg zu begeben. Letzteres, so glaubt er, steht so oder ähnlich nun der ganzen Welt bevor. Denn: Diese Pandemie namens Corona zwingt uns alle zu kulturellen Korrekturen. Das wird so ähnlich ablaufen wie damals, also nach 68 – man merkt es zuerst nicht, aber mit der Zeit dann doch, also wie sich Politik, Filme, Kunst- und Bauwerke und so weiter immens verändern.

In diesem Sinne verweist Langhans auf die Jüngeren, dass es nun an ihnen sei, unsere Zukunft „besser“ zu gestalten. Und er selbst? Er wird, da unheilbar an Krebs erkrankt, bald schon nicht mehr hier verweilen. Seine Aufgabe, in deren Kern eigentlich steht, ein Guru zu sein, der keiner ist, die endet jetzt. Das ist nicht ironisch gemeint, sondern sehr ernst. Damit schließt sich auch die Einleitung, denn der einzige Star in Deutschland mit Format, der ist mit Rainer Langhans nun einmal kein Popstar, sondern ein nachdenklicher Hippie. Wie auch immer, er hat seine Rolle oder seine Funktion sehr gut umgesetzt.

Revolution & 1968 & Rainer Langhans

Rainer Langhans ist letztlich „die“ Figur der 68er-Bewegung in Deutschland. In diesem Video spricht er sich gegen Revolutionen aus, die lediglich die materiellen Verhältnisse verändern möchten. Gegenüber äußeren Veränderungen empfiehlt er innere – denn im eigenen Inneren beginnt alles. Dass das nicht ganz einfach ist, sieht man an Menschen wie Gandhi, welche in gewisser Weise auch nicht sonderlich erfolgreich waren.

Jimi Hendrix

Jimi Hendrix war anders. Wirklich anders. Es ist Rainer Langhans anzumerken, dass er diesen mochte wie auch schätzte. So beschreibt er den amerikanischen 68er Rockstar als einen äußerst sensiblen Menschen, von der Sorte, die eigentlich zu fein für diese Welt ist.

Joschka Fischer

Joschka Fischer war für viele 68er oder auch spätere Zeitgenossen ein Hoffnungsträger. Aber die Sache hat sich anders entwickelt und Rainer Langhans dankt Fischer auf eine doppelbödige Weise für dessen „Gang durch die Institutionen”.

Das ganze Interview mit Rainer Langhans – in drei Teilen

Besonders im zweiten Teil geht Rainer Langhans auf die besondere Stimmung der Jahre 1967 und 1968 ein. Später bescheinigt er Mick Jagger ein großes musikalisches wie eben auch betriebswirtschaftliches Talent. Sehr beeindruckt hat ihn aber Jimi Hendrix, der nicht ganz von dieser Welt war und den es daher auch nicht lange hier gehalten hat. Noch einmal kommt Langhans auf das Thema Corona zu sprechen und erklärt, dass wir die Krankheit ja lieben müssten. Zumindest hat uns Jesus gelehrt, unsere Feinde zu lieben wie uns selbst.

Auch beantwortet Langhans die Frage, was er mit Hitler gemacht hätte, wenn dieser die Kommune 1 besucht hätte: Er, Langhans, hätte diesen beraten und ihm erklärt, wo er „stecken geblieben ist und wo er nicht hat weitergehen können“.

 

 

Der Meister im Hintergrund …

 

Im dritten Teil erläutert spricht er von seinem Meister Kirpal Singh, der wiederum die Lehre von Sant Mat vertrat beziehungsweise als ein Meister in dieser Linie fungierte. Bei Sant Mat handelt es sich um eine hinduistische Reformbewegung, welche 1861 ins Leben gerufen wurde und eben durch besagten Kirpal Singh später eine große Bekanntheit erfuhr.

Ein Kern der Lehre ist ein göttlicher Ton- und Klangstrom, der in der Meditation zur Wanderung der Seele in kosmische Sphären genutzt wird. Letzteres führt zur spirituellen Vervollkommnung. Zudem betont Langhans den zentralen Gedanken der Lehre, dass für die eigene spirituelle Praxis ein lebender und vollkommener Meister „die“ Voraussetzung ist.

Rainer Langhans bejaht zudem die These des Historikers Yuval Noah Harari, wonach die Welt in Sachen Internet und dementsprechenden Möglichkeiten an einem Scheideweg zwischen Gut und Böse steht. Er betont, wie wichtig es sei, jetzt in einen Prozess der höheren Feinstofflichkeit überzugehen. Auf seine Erfahrungen mit der bewusstseinserweiternden Droge angesprochen, erklärt er diese als positiv. Jedoch beendete er seine LSD-Experimente, als er erkannt hatte, dass er derart nur durch ein Schlüsselloch sehen, aber nicht den Raum dahinter betreten konnte.

Rainer Langhans

Rainer Langhans kam 1940 in Oschersleben zur Welt. Er studierte Jura und Psychologie jeweils ohne Abschluss und zog 1967 in die Polit-Wohngemeinschaft Kommune I. Unter anderem war er mit dem Fotomodell Uschi Obermaier liiert, welche mit ihm in München in die High-Fish-Kommune zog. Bereits Anfang der 70er-Jahre wandte er sich spirituellen Lehren zu. Heute lebt er mit mehreren Frauen in einer experimentellen Lebensgemeinschaft.