Ai Weiwei, Künstler aus China, hat die Maßnahmen in seinem Heimatland rund um die Pandemie in seinem Film „Coronation“ dokumentiert. Dabei hat der inzwischen in Cambridge lebende Weiwei die Regie seiner immerhin 115-minütigen Dokumentation von Europa aus geführt.

Insgesamt wurden von Ai Weiwei wohl an die 500 Stunden Filmmaterial für den Film über die Pandemie in China ausgewertet. Vielleicht ist aber das Besondere der Umstand, dass das alles anonym und unter Gefahr von chinesischen Bürgern erbracht wurde. Im Detail finden sich hier Drohnenaufnahmen von Wuhan ebenso wie Aufnahmen der Sicherheitskameras von Krankenhäusern oder solche, die Mediziner zeigen, welche an COVID-19 erkrankte Patienten behandeln.

 

Wuhans leere Straßen und Ai Weiweis politische Absichten

Der Film selbst beeindruckt durch Bilder, wie man sie sonst nur aus dystopischen Filmen kennt. Jetzt aber sind die menschenleeren Straßen Wuhans ganz real, wie auch die uniformierte Parteigetreue, welche Krankenpfleger mit geballter Faust auf die kommenden Aufgaben einzustimmt. Die Bilder ziehen vorbei wie ein sureealer Traum: Da wird ein frisch Verstorbener luftdicht verpackt und auf eine Bahre gehievt. Oder da ist dieser Mensch mit Gasmaske, im gelben Gefahrgutanzug auf einem Elektroroller lautlos durch die Gassen fahrend, dabei Desinfektionsmittel versprühend.

An anderer Stelle stehen Menschen wartend für Corona-Tests an und zugleich projizieren Strahler kommunistische Insignien auf die Fassaden von Hochhäusern. Endlos scheinen diese Bilder zu sein und diese Endlosigkeit ist am Ende eine Botschaft: das Leid und die seltsam surreale Kälte sind hier nahezu endlos – halt solange bis ein Mensch und dann ganz viele “Stopp” sagen wird. Aber solange dies nicht geschieht hinterlässt der Film erst einmal seinen Geschmack in den Sinnen des Betrachters, womit dann eine tiefreichende Frage verbunden ist: Wie kann das alles sein? Wie kann es zudem sein, dass es irgendwo auf der Welt so sein muss?

Interpretation USA und China. Mickey Mäuse auf der chinesischen Mauer lachend in der Pandemie. Im Stil von Ai Weiwei, Künstler aus China.
Mickey Mäuse während der Pandemie auf der chinesischen Mauer. Bild im Stil von Ai Weiwei, Künstler aus China

Ein Künstler aus China namens Ai Weiwei. Und über China, den Film Coronation

Nach Ai Weiwei geht es in dem Film um ein „Gespenst” und dieses heißt chinesische Staatskontrolle. Daher beleuchtet der Film selbst das militarisierte Vorgehen des Staates bezüglich der Pandemie. Andererseits sagt Ai Weiwei in einem Interview mit der deutschen Welle, dass es richtig war, Wuhan abzuriegeln”. Was er kritisiert ist die Art und Weise des Vorgehens der chinesischen Staatsmacht. In diesem Zusammenhang steht im Zentrum seiner Kritik, dass man die chinesische Bevölkerung die ganze Wahrheit über die Situation und das Ausmaß der Krise hätte sagen müssen. „Sie vertuschten die Zahl der Infizierten und die Zahl der Todesopfer”, sagt Ai Weiwei

Die demokratische Welle der letzten 40 Jahre ist vorbei.

Das sagt Ai Weiwei Anfang März 2021 in einem Interview mit swissinfo. Einen Vorgeschmack bietet der Umgang des Westens mit dem chinesischen Künstler selbst: So wurde dessen Film Coronation auf allen großen Festivals und Streaming-Plattformen nicht zugelassen. Dabei spielt es eigentlich keine Rolle, ob dies vorauseilend geschah oder aber auf aktiven Druck Pekings.

… der Westen hat seine Freiheiten für die Bedürfnisse von Kapital und Profit aufgegeben

Aber es gibt bekanntlich eine kleine Ausnahme und die heißt Schweiz. Das Internationale Genfer Filmfestival und Forum für Menschenrechte zeigte den Film Anfang März 2021. Wobei dies wohl für den politischen Künstler Weiwei eher als eine symbolische Geste anzusehen ist. Daneben erklärt er nicht nur die demokratische Welle der letzten 40 Jahre für beendet, sondern rechnet damit, dass in der post-pandemischen Welt die Zensur die Regel sein wird.

Weiwei erklärt auch detailliert, wie man sich heute eine solche Zensur vorstellen darf: Da China die USA als weltweit größten Filmmarkt überholt hat, bestimmen eben auch die Chinesen, was Firmen wie Netflix oder Amazon dem westlichen zeigen – dürfen. Weiwei formuliert es so: „Was die Festivals betrifft, stehen sie entweder unter Selbstzensur oder unter Druck aus China. Sie können nur Filme zeigen, die mit dem ‘Drachen-Siegel’ versehen sind – gleichbedeutend mit der Freigabe durch die Propagandaabteilung der Kommunistischen Partei Chinas.“ Das Fazit von Ai Weiwei klingt lapidar, aber es ist eigentlich das Ende einer langen Geschichte: „Es ist keine Frage von richtig oder falsch – der Westen hat seine Freiheiten für die Bedürfnisse von Kapital und Profit aufgegeben.“

 

Verrückte Figur mit grünem Gesicht rennt über die chinesische Mauer. Ironisches Bild im Stil von Ai Weiwei, Künstler aus China, in der Pandemie.

Ai Weiwei bei Markus Lanz Oktober 2020

Der chinesische Künstler Ai Weiwei spricht wohlwollend über die Sendung von Markus Lanz, da dort vorsichtig argumentiert wird. Das alles ist letztlich das Abbild eines demokratischen Prozesses, unterstreicht er. Jedoch ist das alles, also wie man miteinander spricht und argumentiert in China ganz anders.

Weiwei spricht übrigens immer klar und einfach. Das mag daran liegen, dass er dem Deutschen nicht mächtig ist. Wie auch immer, hier erklärt er, dass totalitäre Regime anders mit Krisen wie der Pandemie umgehen, halt eher so wie das Militär. Sozusagen wird der Feind umstellt und darauf eliminiert. Es werden insofern während des Vorgehens gegen die Krankheit diese und jene Opfer erbracht. Die Menschen mögen zwar leiden, aber das ignoriert die Staatsmacht aufgrund des Fokus auf den möglichen Erfolg. Weiwei betont bei diesen Gedankengängen ausdrücklich, dass die Gesellschaft in China grundlegend anders als eine westliche wie etwa Deutschland sei.

Auf die Frage, ob China sich schuldig gemacht hat, weil es die Welt nicht frühzeitig gewarnt hat, antwortet Weiwei lediglich indirekt. Seines Erachtens hängt China Jahrzehnte in der Entwicklung hinterher, aber jetzt sei man dort an einem selbstbewussten Punkt angelangt. 

Insofern ist es so, dass die Corona-Krise die dortige Regierung eher ermutigt, das eigene Regime dem westlichen System als überlegen darzustellen. Schließlich ist man ja in der Lage, die Pandemie konsequenter zu bekämpfen. Zuletzt weist Ai Weiwei darauf hin, dass man in China über die USA nur noch lacht, also wie dort mit der Pandemie umgegangen wird und wie die Debatten zur bevorstehenden Wahl verlaufen. Noch kürzer: Man lacht den Westen aus.

Die Hornbach Dokumentation

Ai Weiwei gilt als der bedeutendste Künstler aus China der Gegenwart. Sein Schaffen richtet sich auf das Spiel mit der Öffentlichkeit, weshalb er sich auch nicht Bereichen wie der Werbung verschließt. In diesem Sinne entstand in Kooperation mit Hornbach das Werk „Safety Jackets Zipped the Other Way“. Dazu sagt wiederum der Auftraggeber Hornbach: “Ein Kunstwerk für alle. Gebaut von Dir.”

Ai Weiwei

Ai Weiwei (* 28. August 1957, Peking) ist ein Künstler aus China. Er selbst bezeichnet sich als Konzeptkünstler, Kurator und Bildhauer. Seine Werke setzten sich anfangs mit älteren chinesischen Kunstgegenständen und der Kulturrevolution auseinander. Dabei gab es Bezüge zur Pop-Art wie auch Konzeptkunst. Ab 2005 betrieb der Künstler einen Blog zu gesellschaftspolitischen und kulturellen Themen, welcher 2009 gesperrt wurde. Ai Weiwei war nach regierungskritischen Äußerungen im Jahr 2011 für mehrere Monate in China inhaftiert. Später lebte er eine längere Zeit in Berlin. Aktuell hält er sich in der renommierten Universitätsstadt Cambridge auf.

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