Langhans neues Buch: NACH INNEN
„NACH INNEN“ – so heißt das neue Buch von Rainer Langhans. Es handelt es sich hierbei mehr oder weniger um ein Sachbuch. Somit geht es hier sachlich zur Sache. Und zwar um Leben und Sterben, Tod und Wiedergeburt und eben die alte Zeit und die noch kommende, die der Jugend und des Internets.
Die alte Welt geht unter. Das Abendland geht unter …
Daneben ist es ein typisches Langhans Buch und damit eines, welches eigentlich gesprochene Sprache als Grundlage hat. Er war halt nie ein Schreiber, sondern immer ein Sprecher. Na gut, daneben war er noch Student, Studentenanführer, Sitarspieler, Influencer und meditierender Anhänger fernöstlicher Lehren. Rainer Langhans? Den kennen in Deutschland fast alle, selbst die Jugend. Und ja, seine eigene Jugend, die hat ihn geprägt, auch jünger gehalten – als die meisten seiner Zeit. Nur, diese alte Zeit schwindet. Und damit wir seine nach wie vor jungen Gedanken verstehen, gibt es ein neues Buch von ihm.
Um noch einmal auf die Sache mit dem gesprochenen Wort zurückzukommen: Die hatte in den uns immer noch beeinflussenden spirituellen Kulturen beziehungsweise Religionssystemen halt Tradition. Auch klare Geister wie beispielsweise Jesus und Buddha waren letztlich „Speaker“, genauer gesagt waren sie sogar „Superspeaker“ – während es vor und nach ihnen halt die besagten „Speaker“ gab und gibt, welche deren Lehren halt vor- und nachbearbeiten.
Inwieweit Rainer Langhans diese Einordnung interessiert? Das sei dahingestellt, aber der Autor dieses Artikels versucht hiermit eine geschichtliche und kulturelle Einordnung der Person Langhans.
Titel sind jaja keine Zufälle
Noch einmal zum Titel „NACH INNEN“, welcher fast schon ikonisch wirkt. Was er besagen soll? Möglicherweise, dass sich da im Inneren des Menschen die Welt spiegelt – und somit dann letztlich auch im vorliegenden Buch. Streng genommen entsteht sie, die Welt, da in den sphärischen Tiefen des tiefsten Inneren sogar. Und wenn wiederum im eigenen Zentrum nicht ein gewisser Frieden vorherrscht, wird es da draußen in der allzu profanen Welt auch nichts mit dem heiß ersehnten Weltfrieden. Dann ist da noch ein spezieller Aspekt an dieser Inneneinkehr zu erwähnen: Wenn der Mensch geht, konzentriert er sich wohl oder übel nach Innen. Nicht über das Wetter des Tages wird dann geplaudert, sondern über die wesentlichen Dinge, halt die, die im tiefsten Innern mehr bewegen.
68er-Sex und so
Wer Rainer Langhans wenigstens etwas kennt, also zumindest seine Berichte über die legendäre Kommune 1, der weiß es bereits: Sex war in diesem Umfeld weit weniger bedeutend, als es kolportiert wird. Diese sexuelle Sache interessierte einfach die Presse, weil es die Leser interessierte und so kam es laut Langhans zu einer Verzerrung, denn in Wirklichkeit gab es zwar Sex, aber der war nicht das eigentlich Besondere an der Kommune. Das fundamental Neue oder Uralte, das war das sensible Zusammensein, waren die tiefen Gespräche und zudem eine Art von Zärtlichkeit, die heute als eher uncool gilt. Aber aus diesen Zutaten entstand etwas Besonderes, so etwas wie eine freischwebende Atmosphäre.
Nun ja, die sexuelle Sache erlebten zumindest die Hippies in den Staaten etwas anders. Neil Young, ein durchaus berühmter 68er, formuliert es heute so: „Wir glaubten, wir hätten den Sex erfunden!“ Jedoch war man bei Langhans und der Kommune 1 nicht in Woodstock, sondern im protestantischen und damit möglicherweise frommeren Berlin. Wie auch immer, Langhans beschreibt eindrücklich und schön, wie die Zeit in der Kommune zeitlos wurde und fast verschwand. Dieses „aus der Zeit fallen“, betont er, war das eigentliche Grundgefühl.
1967. Das zeitlosezeitlose Glück
Und wer dieses schwebende Gefühl des Zeitlosen einmal erlebt hat – ob mit Drogen, durch Meditation oder eine große Portion Liebe, der weiß: Da draußen kann die Welt untergehen, aber dieses gerade erlebte Paradies „im eigenen Innern“ ist sowieso die weit bessere Welt. So oder ähnlich beschreibt Langhans das Jahr 1967 und halt nicht das heute so legendäre Jahr 1968. Denn da im Nachfolgejahr, also 68, war das Besondere der erlebten Leichtigkeit schon wieder entschwunden, fast schon so wie die Luft eines Luftballons.
Was für Rainer Langhans radikal ist
Die stolze RAF bezeichnete sich als radikal und warf Langhans das Gegenteil vor. Der sah es aber genau andersherum. Nach seiner Meinung, wie unter anderem auch der von Gandhi, führt der bewaffnete Kampf nur zu neuem Hass und dem üblichen Kreislauf aus Aktion und Reaktion. Letzteres spürte Langhans dann am eigenen Leib und somit musste der deutsche Hippie phasenweise durch Bodyguards vor besagter RAF geschützt werden.
Bis heute verstehen es nicht wirklich viele, was Langhans da im Innern suchte, wohin er mit seinem Leben hinwollte, warum ihn der Sex mit all den schönen Frauen nicht so sehr interessierte. Hierzu ein Zitat: „Die Erfindung einer neuen Welt und der Versuch, sie wirklich zu beleben, in ihr zu leben, statt die alte Welt noch immer um jeden Preis reparieren zu wollen, das hat nie funktioniert, auch nicht mit Protesten und Demonstrationen.“
Rainer Langhans ging es weder um die Eroberung der Früchte der alten Welt, noch um die Konfrontation mit jener, so wie es die RAF wollte. Stattdessen wollte er den „wahren radikalen Weg“ gehen, jenen, der neue Welten erschafft und nicht die eigentlich bereits überholten bekriegt.
Fridays for Future
Man könnte denken, die Hippies waren die Vorfahren von Fridays for Future. Das liegt eigentlich auf der Hand. Aber so einfach ist das nicht. Denn: Die Bewegung rund um Greta ist eher eine anklagende, während die damaligen Hippies, besonders die amerikanischen, eher Sinn- und Glückssucher waren.
Die Erfindung einer neuen Welt und der Versuch, sie wirklich zu beleben, in ihr zu leben, statt die alte Welt noch immer um jeden Preis reparieren zu wollen, das hat nie funktioniert, auch nicht mit Protesten und Demonstrationen.
Langhans erwähnt in diesem Sinn eine Fernseh-Diskussionssendung, in welcher er die Frage nach einem möglichen Scheitern von Fridays for Future mit „ist schon“ umfassend beantwortet. Bemerkenswert: Dies geschah, als besagte Bewegung sich auf ihrem Zenit befand. Letztlich bescheinigt er der Bewegung „mangelnde Radikalität“. Was er damit meint, wurde hier bereits besprochen.
Daneben wirft Langhans Fridays for Future im Zusammenhang mit Corona vor, sich mit einem Impfstoff abspeisen zu lassen, anstatt das gesamte System infrage zu stellen.
In diesem Zusammenhang ist er auf seine Art polemisch, denn seiner Meinung nach hat die Corona-Hysterie einen besonderen Grund und der heißt: Greta. Das mag erstaunen – und soll zu denken geben.
Rainer Langhans und das Problem mit der Unkultur
Trotzdem: Langhans scheint sich zu zieren, die jugendliche Bewegung tiefgreifend zu kritisieren. Warum auch, die Kritik würde kaum einer verstehen. Stattdessen lobt er die Jungen, wie gut sie das Internet verstehen. Das ist vielleicht gut, also die Jugend zu loben, auf sie zu setzen, halt so wie ein Fußballtrainer.
Jedoch liest man in dem Buch seine Beweggründe für die dann unterschwellig doch vorhandene Unzufriedenheit mit den Freitagsmenschen heraus: Eine Bewegung, die nur protestiert und nach dem bürgerlichen Freitagsprotest sich dann wieder dem BWL-Studium oder was auch immer nicht allzu sehr erhellendem widmet, der kann man halt nur lauwarm applaudieren.
Es geht auch nicht um ein Mehr an Radikalität, darüber sprachen wir bereits, sondern um ein Lebensgefühl, eines, welches die Menschen um Greta halt nicht haben und womöglich auch gar nicht wollen. Jedoch handelt dieses Buch von Rainer Langhans unter anderem von diesem besonderen Gefühl – von damals. Es klingt komisch, aber nur durch ein solches Gefühl, welches übrigens nach Sinn und Gemeinschaft schmeckt, kann eine langfristige Kultur entstehen. Langhans weiß das, spricht es aber nicht konkret aus, warum auch, es würde aus seinem Mund komisch klingen – oder aber erst gar nicht verstanden werden.
Ein tödliches Geschenk
„Heute sind wir, und das finde ich faszinierend, geradezu in Panik geraten, weil uns die alte Welt entgleitet. Den Jungen ist das ziemlich klar, aber den Älteren ist dieser Prozess noch lange nicht klar. Die alte Welt geht unter. Das Abendland geht unter“, so beschreibt es Langhans. Und er formuliert es wie jemand, der schon lange mit der ihn umgebenden Gesellschaft abgeschlossen hat.
Und damit sind wir thematisch beim Tod gelandet, der bekanntlich ein Problem für den atheistischen Westen darstellt. Wiederum beschreibt Langhans den eigenen, den heranrückenden, er hat unheilbar Krebs, als ein Geschenk „seines Meisters“. Er holt dazu weit aus und trotzdem muss hier ein Zitat reichen: „Von Meditation haben wir hier alle schon mal gehört, auch von Spiritualität. Es geht aber doch nochmal um etwas anderes, als wir hier wissen. Es ist tatsächlich, wenn du es richtig machst, ein „Sterben“. Ein Sterben vor dem letzten Sterben, nach dem du nicht mehr zurückkehrst. Du stirbst immer wieder ein wenig in diese Wirklichkeit.“
„Stirb Langsam“ – mit Rainer Langhans
Übrigens sieht man in Asien ganz allgemein die Sache mit dem Leid recht entspannt, sozusagen wird es als unvermeidbar in Kauf genommen. Selbst der große Buddha fußte seine Lehren auf Leid, beziehungsweise Leidvermeidung, und fand bekanntlich die eigene Erleuchtung „erst“, nachdem er vor lauter Fasten so geschwächt war, dass er badend fast ertrunken wäre.
Wie auch immer: Alles ändert, verändert sich und manchmal endet eine Sache auch nahezu völlig. Wir und unsere westliche Kultur verändern uns aktuell „krass“. Wohin? Rainer Langhans spricht in seinem Buch von einem Dahinschwinden. Das wäre ein absoluter Tod, ein absolutes Sterben. Wie polemisch!
Du stirbst immer wieder ein wenig in diese Wirklichkeit.
Nur, das glaubt der Autor nicht ganz und verweist hier auf die asiatische Lotusblüte, welche bekanntlich umso schöner erblüht, je mehr Dreck sich unter ihr befindet. Anders gesagt, wir hier im Westen, müssen nur verstehen „oder erfühlen“, dass wir eine wunderschöne Blume (oder halt auch Kultur) sind und schon könnte Erstaunliches entstehen.
Auch wäre jener Weg, den Rainer Langhans für sich gefunden hat, also nach 1967, eigentlich ein guter für alle. Nur interessiert dies leider die „letzte Generation“ nicht wirklich, sie versperren stattdessen lieber unnütze Wege. Daher wachsen die guten Trampelpfade und Wegweiser langsam zu und wird das Ganze leider nicht zur massentauglichen Schnellstraße. Wie auch immer: Rainer Langhans geht diesen, seinen Weg nun zu Ende – und er redet und schreibt darüber nach wie vor als „Speaker“. Vielleicht bewegte und bewegt er immer noch mehr, als uns derzeit bewusst ist. Und das hier besprochene Buch? Lesen! Denn es ist tausendmal besser als der ganze allzu menschliche Mist auf Twitter oder in den Nachrichten.
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