Leben ohne Gott: Eugen Drewermann bescheinigt der westlichen Welt eine zunehmende Glaubenskrise. Er führt maßgeblich an, dass die westlichen Kirchen kaum auf die Probleme und das Leid der Menschen eingehen.

Andererseits, so schildert er es in einem Interview mit der Plattform evangelisch.de, geraten damit immer mehr Menschen in eine Art Zwickmühle. Denn die scheinbar alternativ zum Glauben stehenden Naturwissenschaften bieten in Wirklichkeit keinerlei Antworten auf Leid oder menschliche Ängste.

Der Grundfehler liegt nach Drewermann in der kirchlichen Interpretation der Schöpfungstheologie, wonach der christliche Gott in der Not eingreift. Der moderne Mensch findet jedoch einen solchen aktiven Gott nicht, wenn etwas wirklich Schlimmes geschieht. Das Problem ist dabei kein christliches an sich, sondern eines der betreffenden Kirchen, welche lediglich eine Interpretation oder ein abgeleitetes Weltbild der Lehre von Jesus auftischen. Dies alles passt so jedoch nicht mehr in unsere Zeit. Drewermann nennt dann diese Vorgänge insgesamt einen „Enttäuschungsatheismus“.

Andererseits, so gibt er zu bedenken, steht für Jesus nicht eine Interpretation der Natur im Mittelpunkt, sondern der Mensch selbst. Und zwar einer, der in Gott zur Ruhe kommt und somit sein Leben bestehen kann. Dieses Vertrauen ist nach Drewermann letztlich der gesamte Sinn der Gebete beziehungsweise deren Erfüllung.

Letztlich verfolgt Drewermann einen eigenen Ansatz, welcher seines Erachtens die Kirche aus der Krise manövrieren könnte: Luther zitierend, verweist er darauf, dass Menschen überhaupt nur gut durch die Erfahrung der unbedingten Güte Gottes sein können. Um dies umzusetzen bedarf es seines Erachtens „das Handwerk“ der Psychoanalyse oder der Psychotherapie.

Im ersten Moment klingt dieser Ansatz befremdlich, denn Jesus hat bekanntlich keine Psychoanalyse oder ähnliches verwendet. Andererseits wechseln Religionen sozusagen je nach Zeit und Region nun einmal ihre Erscheinung. Man vergleiche dies mit dem tibetischen Buddhismus, welcher Methoden verwendet, die Buddha nicht unterrichtete. Auf jeden Fall entwickelte sich die Sache mit dem Buddhismus in den hohen Bergen dann sehr gut. Dieser Gedanke stammt nun nicht von Drewermann, sondern vom Autor dieses Artikels, der andeuten will, dass man die Wahrheit in viele Gewänder packen kann oder auch muss, weil sie halt ansonsten droht auszusterben.

Eugen Drewermann vor einem Tor, Mittelalter

Drewermann sah Corona-Maßnahmen kritisch

Nach Ansicht des Theologen und Priesters Drewermann wird in Deutschland oder im Westen schlechthin seit Jahrzehnen das Recht auf Privatsphäre ausgehöhlt. Selbst die Szenarien von George Orwells Roman „1984″ sind heute bereits übertroffen.

Was aber steckt psychologisch hinter der immensen Überwachung? Nach Drewermann wird Macht aufgrund von Ängsten ausgebaut. Das geschieht wiederum auf Kosten der Freiheit. Statt der versprochenen Sicherheit entsteht eine Entfremdung von der eigentlich angestrebten Geborgenheit. Wenn man so will, ist dies ein Teufelskreis, einer, der einmal in Gang gesetzt, neue Ängste erzeugt und damit weitere Überwachungsmaßnahmen.

Und woran liegt es noch? Der Theologe führt an, dass der moderne Mensch eine religiöse Sinnfindung verneint und damit die Endlichkeit des eigenen Daseins nicht aushalten kann. Es entsteht damit ein isolierter Mensch, der sich in seiner Verzweiflung an die letzte Hoffnung klammert: das Leben um jeden Preis zu verlängern. Daher müssen Ärzte nun Götter in Weiß spielen, was aber nur eine Verkleidung ist und daher scheitern muss. Was am Ende bleibt, ist die eigene Sterblichkeit, welche nichts anderes ist, als der größte Skandal auf Erden.

Großen Sterben, Ölgemälde, Renaiisance, Kriegsszenen über Leben, Gott und Sterben und Tod

Interview mit Eugen Drewermann

Eugen Drewermann erzählt über einschneidende Ereignisse seiner Kindheit während des 2. Weltkriegs. Darüber hinaus schaut er in diesem Interview als Kirchenkritiker und ehemaliger Priester auf sein gesamtes Leben zurück. Insbesondere geht er auf sein vielleicht größtes Anliegen ein: der von seinen Ängsten befreite Mensch. Daneben beschreibt er, warum die Lektüre von Dostojewski ihm das Leben rettete und er Psychotherapie und Zuwendung für besser als jede Strafe hält.

Über fremdbestimmtes Leben. Und über die Freiheit in sich selbst …

Eugen Drewermann? Das ist ein Psychologe und Priester. Und dieser Eugen Drewermann legt den Finger mal in die Wunde und dann noch tiefer, solange bis die Wahrheit hinter oder in dieser Wunde erscheint. So ist es denn auch in dieser Rede, welche den wahren Menschen im Menschen sucht – und aufzeigt.

Eugen Drewermann über Hermann Hesse

Søren Kierkegaard, Dostojewski und Hermann Hesse. Gerne würde Drewermann diese drei an einen Tisch bringen, um mit ihnen zu dieskutieren. Aber die Gelegenheit wird es nicht geben und stattdessen erläutert der deutsche Theologe in diesem Film die Kerngedanken dieser Denker.