12. Dezember: Ein wenig anders

‚Ein wenig anders‘, hatte er ihr geschrieben, würde das Motto des Treffens in der Schweiz werden. Niemand wusste davon, niemand außer 20 Personen. Drunter geht das heutzutage nicht. Möglicherweise war das aber auch schon zu den Zeiten von Julius Cäsar so. Gut möglich. Michelle, seine Ehefrau, beschrieb die Zeit kurz vor Weihnachten da in der Schweiz als eine Oase mitten im tiefen Schnee. Er fand das treffend, Angela auch.

Romantisch war sowieso alles, auch die Nähe ihrer beiden Chalets. Mehr als romantisch war dann aber auch die eine Stunde, die beide Politiker vollkommen alleine verbrachten. So romantisch „und auch etwas lustig“ war das, dass sie heute noch des Öfteren daran denken, beide, auch wenn jetzt tausende Kilometer zwischen ihnen liegen. „Tanzen kann er“, denkt sie dann und manchmal holt sie ihr Notizbuch heraus, da steht seine absolut private Telefonnummer drin. Sie betrachtet dann traurig die Zahlen, denn es gibt nichts zu besprechen, was ein Anruf rechtfertigen würde.

„Das Leben ist doch recht hart“, seufzt sie. „Und damals war es süß“, seusel ich in ihre Gedankengänge. Als hätte sie jemand ertappt, schnellt ihr Kopf zur Seite, dann zur anderen, darauf wieder zurück in den Ohrensessel. Sie atmet tief aus und schließt die Augen. Da ist ein Lächeln um ihren Mund während sie einschläft – und als in ihrem Kopf diese Endlosschleife beginnt, welche die besagte Szene bis morgen Früh durchspielen wird. Ich wusste nicht, dass Menschen über eine solche Schleife verfügen. Daneben bin ich mir sicher, dass sie morgen besonders gut gelaunt in den Tag starten wird. Halt ‚ein wenig anders‘ als sonst.

Hamburg, 12.12.2023
Michael Mainka