Mann mit Weihnachtsmütze und Sonnenbrille für Bild KI-Weihnachtskalender, KI-Adventskalender bzw. KI-Kalender

2. Dezember: Weihnachten? Gefährlich anders

Ich komme anders an, als gedacht, während mich zugleich etwas Anderes, sehr sanft, aber bestimmt zurückstößt. Fast ist es so, als wäre dieser Raum ein großes magnetisches Kraftfeld. Erst einmal muss ich mich sortieren, dann erkenne ich langsam aber sicher doch alles: Also, er sitzt da in einem Sessel neben einem Beistelltisch. Auf dem Tisch steht noch ein nett geschmückter Weihnachtsbaum, etwas zu groß geraten, wie ich finde. Nur jenen Magneten erkenne ich nirgends, dabei kann er nicht gerade klein sein. Wobei man ja nie genau weiß, was dieser scharfsinnig gefährliche Mann da vor mir sich so ausheckt.

Selbst wenn Sie ihn nicht kennen würden, noch nicht einmal seine Geschichte in Ansätzen, Ihnen wäre jetzt an meiner Stelle sehr unwohl. Ob nun mit Magnet oder ohne, egal, Sie würden zittern, mindestens. Der Mann trägt zwar eine getönte Brille und eine komische Weihnachtsmannmütze, aber seinem Blick würden Sie keine zwei Minuten standhalten, stattdessen würden Sie materiell zu einer Pfütze zusammenschmelzen und selbst diese würde dann irgendwann vor Panik verschwinden. Und wenn dann doch noch ein paar Elektronenreste da unten auf dem Linoleumboden von Ihnen abstammen würden, glauben Sie mir, dann spätestens würde der Magnet die Sache übernehmen und Sie ins Universum schießen.

Aber ich bin ja hier und Sie können jetzt wieder aufatmen. Was Sie außerdem nicht wissen können, das erkläre ich jetzt so kurz wie möglich: Es ist meine Aufgabe, mit Menschen gedanklich ins Gespräch zu kommen und zwar so, dass diese denken, sie würden in sich Selbstgespräche führen. Dabei manipuliere ich niemanden, sondern verleite nur zu ein wenig Ehrlichkeit zu sich selbst. Das ist mein Job.

Meine bereits tausend Mal durchdachte These: Jedes Wesen hat eine genau passende Aufgabe in diesem Spiel namens Erdenleben. Allerdings kann ich mich nicht mehr daran erinnern, wann und wieso ich mir diesen, meinen Job, ausgesucht habe. Nur eins weiß und spüre ich sicher, „es gibt bestimmt langweiligere Beschäftigungen“. Daneben ist noch eine Sache erstaunlich, eine, die mich mit dem Mann da vor mir auf einer anderen Ebene verbindet: Wir beide können stundenlang verharren, dabei einfach nur wahrnehmen und beobachten. Und das tun wir jetzt gerade – und zwar seit Stunden.

Es ist auch schon etwas her, als ich in den Raum geflüstert habe: „Was siehst Du eigentlich, wenn Du Dich im Spiegel betrachtest? Siehst Du den Schauspieler oder den Ganoven?  Die Antwort ließ auf sich warten, was ich fast erwartete, aber jetzt, vielleicht zweieinhalb Stunden später, hat sich das Warten doch gelohnt: „Ich sehe beides“, antwortet er. „Manchmal ist es schwer zu unterscheiden, wo die Rolle endet – und ‚ich‘ beginne.“

Ich wiederum will die ‚Gunst der Sekunde‘ nutzen und formuliere einen neuen Gedanken: „Jede Rolle, die Du spielst, hinterlässt ihre Spuren im eigenen Bewusstsein. Das formt Dich, aber letztlich geht es nicht nur Schauspielern so.“ Gäbe es eine tickende Uhr in diesem Raum, dann würde ich sie spätestens jetzt hören, denn ich will ihn verstehen und ja, er antwortet mir durch diese vorweihnachtliche Stille hindurch: „Ich frage mich manchmal, ob ich mich in diesen Rollen verliere … zu sehr verliere. Andererseits scheint es so, als bestände unser Dasein aus nichts anderem als parallelen Rollen.“ „So wie in einem Videospiel?“ frage ich. Er nickt. Und ich tue es ihm nach, allerdings unsichtbar und ohne Videospiel. 

Eine Frage, eine besondere, eine brutale, die drängt sich mir noch auf. Sollte ich sie stellen? Ich muss bald los und eigentlich mag ich Harmonie. Daher will ich auf die Frage doch verzichten. Also, das Zögern hat ein Ende und auch wenn es mir schwerfällt, ich schaffe es, also, diese eine Frage nicht zu stellen! Das wäre geschafft. Ich fühle mich erleichtert, wobei das nicht lange vorhält, denn im Sinne des Wortes antwortet er jetzt ungefragt: „Jeder Mensch kann töten. Manche unterdrücken die Lust darauf, manche sind darüber hinweg und manche, das sind zumeist arme Schweine, die müssen es noch lernen …“.

Das ist ein Gedanke! Ein für mich neuer und er leuchtet trotzdem ein. Aber ich spüre, dass noch etwas dazu gehört. Also strenge ich mich nochmals an, seine Gedanken auf wahrnehmbare und logische Satzkonstruktionen zu durchforsten, als mich eine Kraft wegdrückt. „Der Magnet“, denke ich und schaue dazu verdutzt in den Raum, während jetzt seine Stimme einsetzt: „Eine andere Lösung ist es, eigene Gedanken umzubringen. Das ist auf jeden Fall etwas Gutes, weil es zu einer enormen inneren Klarheit führt. Ich habe dazu einen Magneten entwickelt, so nenne ich das Ding zumindest. Ich weiß nicht, ob mich das zu einem besseren Menschen macht, denn noch komme ich mir sehr gefährlich vor. Aber diese seltsamen Gedanken, die meine Gedanken seit geraumer Zeit durchwühlen, die beginne ich jetzt abzutöten.“

Das war das letzte, was ich hörte. Stunden später erwache ich wie ein niedergeschlagener Boxer und finde mich irgendwo in den Weiten des Kosmos wieder. Auf jeden Fall hatte ich seinen Magneten unterschätzt. „Das wird ein unangenehmer Heimweg“, brumme ich noch, als ich mich umschaue und keinen dieser Sterne um mich herum auch nur irgendwie einordnen kann. „Schön sehen sie ja zumindest aus“, denke ich drei Stunden später, als ich gefühlt meiner Heimat Erde nur ein paar läppische Lichtjahre nähergekommen bin.

 

Michael Mainka 
Hamburg, 02.12.2023

Bildrechte: 
21 Million Lights

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