Ein Denker philosophiert mitten in der Krise: In Sachen Philosophie & Pandemie sieht Richard David Precht in einem Interview generell gesellschaftliche Chancen.
Zu den Chancen der Pandemie referierte Richard David Precht nicht gleich am ersten Tag der pandemischen Krise, aber er tat dies relativ früh. Zuerst einmal ertönte damals aber sein bekanntes Stakkato, welches bald aber eben das Stakkato unserer westlichen Gesellschaft kritisierte: Dieses „Schneller, Höher, Weiter, Mehr“, stößt dem Denker und Starphilosophen ja generell auf, wobei es nun einmal auch auf ihn selbst zutrifft. Einfacher ausgedrückt: Der Mann ist sozusagen omnipotent, aber er würde es wahrscheinlich so nicht beschrieben haben wollen. Das wiederum ist ist eine schrullige Wahrheit, aber so ist das Leben nun einmal.
Wir sollten jedoch nah bei seinen Worten bleiben. Damals, zu beginn der theatralisch dynamischen Pandemie begrüßte er das möglich erscheinende Ende besagter westlichen Geschwindigkeiten. „Eigentlich geht es auch ohne“.
Als Beispiele führte er an, dass die innerdeutschen Flüge durchaus für immer eingestellt bleiben könnten. Zudem hätten sich diese schon vor Corona wirtschaftlich nicht gerechnet. Darüber hinaus führte er an, dass das freundliche und symbolische Klatschen für Pflegekräfte zwar schön und gut sei, aber darüber dann auch die vielen Pflegerinnen und Pfleger anständig bezahlt werden sollten.
Für die Jüngeren unter uns: Es gab während den ersten Tagen der Pandemie beziehungsweise des ersten Lockdowns in den europäischen Großstädten eine seltsame soziale Übereinkunft, wonach sich zumeist Studenten und Akademiker vor den Fenstern versammelten und klatschten. Dies geschah als Zeichen des Danks an die Pflegekräfte in den Krankenhäusern.
David Precht reichten natürlich solche sozialen Gesten einer intellektuellen Kaste nicht, sondern er ging fleißig diskutierend noch weiter – indem er die Ökologie als wichtiger herausstellte als die Erhaltung von Arbeitsplätzen. Schließlich, so argumentierte er, ginge es um die natürlichen Lebensgrundlagen des Planeten.
Das Erdbeben von
Lissabon und „the Change“
Ein Gedankenspiel: Nach Richard David Precht stürzte mit dem Erdbeben von Lissabon die damalige theologische wie auch philosophische Vorstellung eines guten Gottes ein. Dies nimmt der renommierte Philosoph als Vergleichspunkt zur Gegenwart und stuft den Coronavirus als etwas ein, was uns zur Besinnung führt.
Zudem hielt er zumindest die in den Anfangstagen der Pandemie von der deutschen Bundesregierung getätigten Entscheidungen bezüglich der Pandemie für weitgehend richtig.
Richard David Precht & Markus Lanz
Das Ganze begann Ende Oktober 2021 als ein Podkast, der dann einen Shitstorm auslöste. Vor allem ging der stinkende Sturm rund um Prechts Aussage, er würde „Kinder sowieso niemals impfen lassen“. Er begründete dies mit dem Verweis, dass deren Immunsystem noch im Aufbau sei und man es nicht mit „diesem“ Impfstoff bearbeiten solle.
Daneben verwies er nachdrücklich auf das Fehlen von Langzeitstudien bezüglich der damals neuartigen Impfungen. Auch dies wurde vom allwissenden Shitstorm harsch kritisiert. Landläufige Meinung war und ist, dass die vollkommen neuartige Impfmethode keine nennenswerten Nebenwirkungen mit sich bringt. Precht bezweifelte dies – öffentlich. Das war erstaunlich wie auch der Umstand, dass er medial überlebte.
… dass wir die 50 Schattierungen von Grau nicht thematisieren, die es gibt. Dass wir so tun, als gäbe es nur Schwarz und Weiß.
Wir halten fest: Prechts Kritik fußte darauf, das harmlos erscheinende Wort „unwahrscheinlich“ nicht ganz so harmlos zu interpretieren. Seine vielen Kritiker kritisierten darauf, dass er eben dies wagte.
In einem späteren „Zeit“-Interview, im gleichen Monat November des Jahres 2021, kritisiert nun wiederum Precht das Ausmaß der Erregung in jener Corona-Debatte. Seines Erachtens gäbe es vor allem eine „quasi militante Impfgegnerszene“ – und eben auch eine Szene der Impfbefürworter.
Was ihn insgesamt an der Impfdebatte störte, drückte er dann nahezu poetisch aus: „… dass wir die 50 Schattierungen von Grau nicht thematisieren, die es gibt. Dass wir so tun, als gäbe es nur schwarz und weiß.“
Precht bezeichnet den Corona-Shutdown als eine Überreaktion
In einem weiteren Interview mit dem Handelsblatt, Mitte Juni 2020, zeigt sich Precht gegenüber dem Shutdown kritisch. Der Denker führt an, dass im Kampf gegen das Virus alle erstaunlich schnell bereit waren, auf vieles zu verzichten. Süffisant fügt er an, dass unter dieser Mehrheit sich auch jene befinden, „die beim Klimawandel auf gar nichts verzichten wollen“.
Im gleichen Stil analysierte er, dass halt die Corona-Maßnahmen dem Schutz der Großeltern galten. Andererseits dient der Einsatz gegen den Klimawandel dem Schutz der Enkel. Dem muss hinzugefügt werden, dass sich Precht in der Vergangenheit wiederholt für ein Umdenken zugunsten einer nachhaltigeren Wirtschaft stark gemacht hat.
Der Philosoph zu Fußball in Zeiten von Corona
Richard David Precht gab nach dem Ende der Bundesligasaison 2019/20 einen Einblick in sein Fußballerherz, indem er die berauschende Wirkung von Geisterspielen in leeren Fußballstadien mit alkoholfreiem Bier verglich. Darüber hinaus folgerte er, dass insgesamt aus dem realen Event ein Computerspiel wird.
In einem Interview mit dem ‚Kölner Stadt-Anzeiger‘ wies er zudem darauf hin, dass er es grundsätzlich richtig findet, dass der Staat die Grundrechte der Bürger im Zusammenhang mit der Corona Krise einschränkt. Seiner Meinung nach geht dies der überwiegenden Mehrheit der Deutschen nicht anders. In diesem Zusammenhang findet er es interessant, dass jene Politiker, “die am rigorosesten auf Corona reagieren, die mit Abstand höchsten Zustimmungswerte erreichen”.
Interview mit phoenix. Über das Lernen in der Krise
Precht nimmt in einem Interview mit dem Schweizer Sender phoenix zum Thema Corona und die betreffenden Auswirkungen auf unsere Gesellschaft Stellung.
In dem Interview betont Precht, dass nach der Pandemie das Leben wieder zu alten Mustern zurückkommen wird. Zum Beispiel werden sich Menschen wieder gerne umarmen. Daneben stellt er die Nebenwirkungen von Corona wie etwa Entschleunigung, Konsumverzicht und Homeoffice als durchaus positiv dar.
Jedoch zeigt er hier kein Verständnis für Corona-Demonstranten, welche in Zeiten der Pandemie die Maskenpflicht nicht einhalten würden. Er begründet seine Kritik damit, dass es nun einmal gesellschaftliche Regeln gibt, wie etwa Ampeln, bei denen es nicht um die persönliche Meinung des Einzelnen geht.
Die Verbesserung des Verhältnisses Mensch & Umwelt Hat nicht stattgefunden
Precht geht auf die ursprünglichen Forderungen der Grünen ein und erklärt, dass eigentlich nichts dabei herausgekommen ist.
Mit ein wenig Dieses und Jenes verändert sich halt nichts – so lautet die zentrale Botschaft dieses Interviews mit Richard David Precht.
Sit-in
Hazel und Richard sprechen über Themen wie künstliche Intelligenz oder warum der Precht keine Romane mehr schreibt.
Richard David Precht
Richard David Precht (* 8. Dezember 1964 in Solingen) ist ein deutscher Philosoph. Er lehrt als Honorarprofessor für Philosophie an der Leuphana Universität Lüneburg. In gleicher Position lehrt er Philosophie und Ästhetik an der Hochschule für Musik Hanns Eisler in Berlin. Im Jahr 2007 hielt sich sein Sachbuch „Wer bin ich – und wenn ja, wie viele? Eine philosophische Reise“ 16 Wochen lang auf Platz 1 der Spiegel-Bestsellerliste.
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